Die Übepersönlichkeit
Ein einfacher Satz, den man sich aber mal auf der Zunge zergehen lassen kann.
Wenn man irgend etwas übt, so wird das Nervensystem alles abspeichern, was im Verlauf der Übung passiert. Dies ist eine leicht verständliche Wahrheit, aber die meisten Musiker haben keinerlei Bewußtsein darüber, wie sie ihre Auftritte durch ihr eigenes Üben sabotieren, denn die Art des Übens formt sehr stark die Persönlichkeit.
Virtuoses Musizieren verlangt eine Meisterschaft auf dem Instrument aber ebenso wichtig ist eine Persönlichkeit, die den Beruf voll ausfüllen kann.
Bestimmte persönliche Qualitäten sind eine Voraussetzung für den Musikerberuf. Ein starkes Selbstbewußtsein, Mut, Fleiß, Kommunikationsvermögen, Teamfähigkeit, Genußfähigkeit und Leidenschaft sind ein paar gute Beispiele dafür. Ohne solche Qualitäten kann man als Musiker nichts werden. Bringt man diese sowieso mit, dann ist alles O.K., aber hat man sie nicht, so muß man sie erlangen. Und glücklicherweise kann man sie einfach Üben.
Geht man in einer Musikhochschule an den Überäumen vorbei, so wird man ständig Studenten hören, die sich persönliche Sabotagemuster in ihre Charakterstruktur hinein üben. Solche Muster sind Lustlosigkeit, Zweifel, „Null Bock“, geistige Abwesenheit, Angst, Streß und Konzentration. Und so was übt man mit der Musik in das Nervensystem hinein. Damit wird der Musiker zu seinem eigenen Feind und verhindert erfolgreich das Erreichen der eigenen Ziele.
Ich habe in den Jahren an den Hochschulen selten jemanden gehört, der selbstbewußt, genußvoll und leidenschaftlich geübt hat.
Durch mentales Training und das intensive Benutzen der Vorstellungskraft im aktiven Üben läßt sich eine Persönlichkeitsveränderung bewirken. (Bitte nicht mit positivem Denken verwechseln.) Diese geht natürlich über das Musizieren hinaus.
Da solche Techniken wirklich funktionieren, ist hier auch wirklich Vorsicht angebracht, soll es demjenigen nicht so gehen wie Goethes Zauberlehrling. „Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“